Rückblick Kloster Schinna: Ha det så kul

Mon, 25 Sep 2023 09:56:11 +0000 von Katharina Schliffke-Berg

Kloster Schinna: Ha det så kul
4. erfolgreicher Land- & Mordlustnachmittag der Musikstiftung
 
Im Namen der Musikstiftung im Kirchenkreis Stolzenau-Loccum begrüßte Kuratoriumsmitglied Katharina Schliffke-Berg in launiger Weise die zahlreich erschienenen Zuhörer zum vierten musikalischen Land- & Mordlust-Vorlesenachmittag im Kloster Schinna. Nach ihren Worten „Ha det så kul“ und der Verwendung der in Schweden üblicherweise verwendeten „Du-Form“  - was Schliffke-Berg sichtlich behagte - war klar, dass die Zuhörer dieses Mal ins Leseland Schweden entführt werden sollten. Und das gelang vortrefflich!
 
Der Jazz-Pop-Gospel-Chor „new crow“ unter der Leitung von Kreiskantor André Hummel stimmte die Zuhörer auf die Lesungen mit „Gabriellas Song“ ein, der leise aus geheimnisvollen Tiefen kommend langsam anschwoll, bis der saubere Klangkörper der Sängerinnen voll und klar ertönte und die Zuhörer gleich in seinen Bann zog mit der Gewissheit: Dunkelheit und Traurigkeit können überwunden werden und in Hoffnung auf Leben und Freiheit münden.
 
Als Vorleser hatte die Musikstiftung die Leser Eva Thee und Dietmar Rehse gewinnen können, die sich beide als Vorlesevolltreffer erwiesen. Eva Thee machte den passenden Anfang mit einer Lesung aus der „Gebrauchsanweisung für Schweden“ der aus Potsdam stammenden Antje Rávik Strubel. Dabei outete sich Thee als langjährige Schwedenfahrerin, was ihre Aufforderung an die Zuhörer “Schließen Sie die Augen und genießen Sie etwas Schönes… Ruhe, Natur, riechen Sie die Luft ……“ intensivierte. Dann wurden die Zuhörer  über Schweden und Schwedenfahrer aufgeklärt, z. B. über die unterschiedlichen Schwedenfraktionen. Kein Applaus – so gefangen war das Publikum!
Die nachfolgende Choreinlage „Vem kann segla förutan vind“ fing erneut die schwedische melancholische Stimmung ein, besonders das Sopransolo bestach mit einer Reinheit, die den Charakter des vorgetragenen Volksliedes mit seiner Bescheidenheit unterstrich. Bravo!
 
Schwere brutale Krimikost brachte die erste Lesung von Dietmar Rehse aus dem Roman „Sterntaler“ der schwedischen Autorin Kristina Ohlsson. Ausgehend von dem Fund einer Leiche, der Kopf und Hände fehlen, deren Identität der Kommissar am Bauchpiercing erkennt und die das Ermittlungsteam zu einem Jahrzehnte zurückliegenden ungeklärten Fall führt, entwickelte Rehse mit den ausgewählten Leseabschnitten einen ungeheuren Spannungsbogen. Der letzte Satz der Lesung „und sie hatte beim zweiten Ansehen den Mann hinter der Maske erkannt…“ ließ die Zuhörer Schlimmes ahnen, welches Rehse mit den Worten abschloss „Den Rest müssen Sie selbst herausfinden!“ Krimispannung pur!
 
Aus den Krimiabgründen holte dann der Chor mit dem eher fröhlichen ABBA-Song „Thank you for the Music“ gekonnt heraus und geleitete damit das ergriffene Publikum in die Pause.
 
Diese war geprägt von schwedischen Zimtschnecken und Schokoladenkuchen, die reißenden Absatz fanden, und sie führte erkennbar zu munteren Gesprächen unter den Zuhörern. Nachfragen ergaben, dass etliche Zuhörer zum ersten Mal den Weg zum Lesenachmittag gefunden hatten, sogar eine gebürtige Schwedin konnte ausgemacht werden. „Es wird mal wieder Zeit, dass ich einen Krimi lese“, fasste eine Erstbesucherin ihren Eindruck begeistert zusammen. 
Kantor Hummel musste mit einem seiner im zweiten Teil der Lesung auf dem Klavier dargebrachten ABBA-Songs - im Wesentlichen über die Liebe - die Zuhörer aus ihren anregenden Gesprächen mit Nachdruck aus der Pause holen. 
 
Zunächst führte Thee in ihrer zweiten Lesung gekonnt in den nunmehr auf dem Programm stehenden Krimi „Schneewittchensarg“ der Autoren Voosen/Danielsson ein. So beschrieb sie vorab anschaulich das im Südwesten Schwedens liegende Småland - Schauplatz des Krimis - als die Region, in der seit Jahrhunderten Glasindustrie und der Glaskunst angesiedelt sind, eine Region, die geprägt ist von der unter harten Bedingungen arbeitenden Bevölkerung einerseits und den Firmenpatriarchen der Glasindustrie andererseits, in deren Familien es zu strategischen Hochzeiten kommt. In dieser Eigentümerszene spielt der Roman. Ausgangspunkt ist ein im Rahmen einer Jubiläumsausstellung zur Glaskunst bekleidetes Skelett in einem gläsernen Sarg. Das Kleid erkennt der Firmenpatriarch, deren Familie die Ausstellung gewidmet ist, als das Hochzeitkleid seiner seit dem Hochzeittag vermissten Frau wieder. Thee liest mit einfühlsamer Stimme – großartig!
 
Den Abschluss bildete Rehse mit der Lesung aus dem bekannten Werk von Selma Lagerlöf „Nils Holgerssons wunderbare Reise“, vorgelesen aus einer besonderen Buchausgabe aus dem Jahr 1949. Mancher der Zuhörer mochte es als wohltuend empfunden haben, zum Ende der Veranstaltung den Text einer ihm vertrauten Autorin zu hören. Bei der Lesung des ausgewählten Abschnitts „Abschied“ schwingt Wehmut mit, z. B. als der zurückverwandelte Nils den über ihm fliegenden Wildgänsen mit der Zipfelmütze winkt, in der Hoffnung, dass diese ihn wiedererkennen. Die wehmütige Stimmung vermochte Rehse in passender Artikulation und Klangfarbe umzusetzen – hervorragend! Behutsam fügte er nach der Lesung persönliche Informationen zu Selma Lagerlöf an, die zum Teil - weil unbekannt - erstaunten und zugleich erahnen ließen, welche starke Persönlichkeit sich hinter der ersten weiblichen Nobelpreisträgerin und der ersten Frau im Nobelpreiskomitee verbirgt. Wunderbare Ergänzung!
 
Erwähnt sein müssen auch die vielen liebevollen Details des von einem eingespielten Organisationsteam unter der Leitung von Ilse Klein-Schumacher vorbereiteten Nachmittags. Diese reichten von der in den Nationalfarben gekleideten Vorleserin Thee über die auf dem Beistelltisch stehende selbstverständlich aus Schweden stammende Glasvase, die zum Teil auf schwedischen Glastellern dargereichten Zimtschnecken bis zu den im Schmöker- und Einkaufskörbchen bereit liegenden schwedischen Krimis, dazu eine grandios störungsfreie Technik.
 
Kuratoriumsmitglied Friederike Schumann dankte allen Mitwirkenden und verabschiedete die Zuhörer mit der zutreffenden Einschätzung, dass wohl alle auf ihre Kosten gekommen seien. Der aus dem Text von Nils Holgersson vorgetragene Satz „Danke für die herrliche Reise“  kann man nur ummünzen in „Danke für die herrliche Reise durch Schweden!“ und der letzte Satz von Friederike Schumann „Bis zum nächsten Jahr!“ ließ und lässt alle Zuhörer an diesem Tag und alle durch diesen Artikel neugierig Gemachten mit der fast krimireifen Frage zurück: „Wohin geht denn die Reise im nächsten Jahr?“
 
Andrea-Barbara Walker, Wettenberg
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